Aktionswoche Alkohol: Hoher Konsum in Deutschland, großer Bedarf an Behandlungsplätzen auch in Niederbayern

Das Ärzte- und Pflegeteam der Abteilung für Abhängigkeitserkrankungen am Bezirksklinikum Mainkofen (v. li): Dr. Miljkovic (Funktionsoberarzt), Dr. Egger, Dr. Moylamli, Dr. Brand, Dr. Pourshirmohammadi, Dr. Libra (Oberarzt), Dr. Blau (komm. Leitung), M. Kaiser (Pflegedienstleitung)

Vom 08. Juni bis zum 16. Juni 2024 findet die Aktionswoche Alkohol statt. Unter dem Motto „Alkohol? Weniger ist besser!“ soll die Bevölkerung dazu angeregt werden, den persönlichen und gesellschaftlichen Umgang mit der „Volksdroge Nr. 1“ zu überdenken.

Als größter Anbieter stationärer Suchtversorgung in Niederbayern nimmt auch das Bezirksklinikum Mainkofen die Aktionswoche zum Anlass, um auf das Thema und die Therapieangebote am Klinikum aufmerksam zu machen. Denn: Deutschland ist im internationalen Vergleich ein Alkoholhochkonsumland, auch wenn der Pro-Kopf-Verbrauch mit 10 Liter reinen Alkohols seit 2020 leicht gesunken ist. Laut Daten der WHO ist damit der Verbrauch in Deutschland im internationalen Vergleich (5,8 Liter) fast doppelt so hoch. Knapp 15% der Bevölkerung zwischen 18 und 64 Jahren (rund 8 Mio.) pflegen dabei einen riskanten Alkoholkonsum. Dabei geht man davon aus, dass davon rund 10% ein Risiko für Abhängigkeit haben und weitere 10 % für schädlichen Alkoholgebrauch. 

Qualifizierte Alkoholentzugsbehandlung am Bezirksklinikum Mainkofen

Das Bezirksklinikum Mainkofen verfügt in seiner Psychiatrischen Klinik über eine beschützend geführte Aufnahmestation und zwei offen geführte Stationen zur qualifizierten Alkoholentgiftung für Erwachsene.  Das gesamte Programm des Qualifizierten Entzugs dauert 17 bis maximal 21 Tage. Neben einer medikamentös gestützten Entgiftung sowie Diagnostik und Therapie eventueller Alkoholfolgestörungen und begleitender psychischer Erkrankungen steht eine psychotherapeutische Behandlung der suchtauslösenden und aufrechterhaltenden Faktoren im Vordergrund. Im Rahmen von strukturierten Einzel- und Gruppengesprächen erhalten die Patienten Informationen und Aufklärung über Abhängigkeitserkrankungen, deren Entwicklung und Behandlungsmöglichkeiten. „Am Ende des Entzugs sind die Patienten im besten Fall motiviert für eine Weiterbehandlung. Diese gibt es in Form einer stationären Rehabilitation, wie wir sie in der Alkoholkurzzeitentwöhnung ALKURE in Mainkofen anbieten, oder auch im Rahmen ambulanter Angebote über die regionalen Beratungsstellen“, erklärt Dr. Ute Blau, komm. Leitung des Zentrums für Abhängigkeitserkrankungen.  

Angehörige werden in Therapie einbezogen

Während des Entzugs oder der Rehabilitation werden gerne, bzw. wenn möglich, auch die Angehörigen der Patienten in die Therapie eingebunden, da eine Suchterkrankung sich auch auf Partnerschaften oder Familiensysteme auswirkt. „Wir bieten Angehörigengruppen und Einzelgespräche als festen Therapiebestandteil an“, sagt Dr. Blau. „In Partnerschaften kann es beispielsweise zu einem Vertrauensverlust kommen, wenn Betroffene aus Scham über das eigene Suchtverhalten nicht offen sein können. Auch Co-Abhängigkeit oder übermäßige Verantwortungsübernahme resultieren daraus nicht selten.“ Gefühle der Hilflosigkeit im Umgang mit Erkrankung, familiäre Stressbelastungen und Schwierigkeiten könnten mit therapeutischer Begleitung oft leichter angesprochen werden, so Dr. Blau. Für manche sei es dabei auch entlastend zu hören, dass es sich bei der Alkoholabhängigkeit um eine – wenn auch erst seit 1968 vom Bundessozialgericht anerkannte – Erkrankung handelt und nicht um eine schlechte Persönlichkeitseigenschaft. Der transparente Umgang damit wirke auch dem mit Schuld- und Schamgefühlen einhergehenden „minority-stress“ entgegen. „Dabei übernehmen Suchtpatienten und ihre Angehörigen oft belastende Ressentiments und Vorurteile der Gesellschaft, zu der sie ja wiederum selbst gehören“, erklärt Dr. Blau. Ein stabilisierendes soziales Umfeld und gute Bewältigungsstrategien für alltägliche und berufliche Probleme zu haben, sei bei der Behandlung einer Abhängigkeitserkrankung von großer Bedeutung. Deshalb sei es so wichtig, die Angehörigen in die Behandlung miteinzubeziehen.

Rund 10 Prozent der Alkoholkranken unterziehen sich qualifiziertem Entzug

Nach Erhebung der Deutschen Hauptstelle für Suchtfragen (DHS) hatten insgesamt 3 Millionen Erwachsene zwischen 18 und 64 Jahren im Jahr 2018 in Deutschland eine alkoholbezogene Störung (Alkoholmissbrauch: 1,4 Millionen; Alkoholabhängigkeit: 1,6 Millionen). Übergänge sind dabei fließend.

Suchttherapeuten sprechen von einem biopsychosozialen Modell: Demnach erhöhen Umweltbelastungen familiärer und beruflicher Art sowie psychische Probleme resultierend aus Depressionen, Ängsten oder Persönlichkeitsstörungen die Wahrscheinlichkeit, an einer Abhängigkeit zu erkranken.

Eine Selbsteinschätzung zum eigenen Konsumverhalten bietet z.B. der im Internet zu findende Audittest. Im klinischen Setting wird die Diagnose nach den sog. ICD-10-Kritierien der Abhängigkeit gestellt. Eine behandlungsbedürftige Alkoholsucht besteht demnach, wenn mindestens drei der sechs folgenden Kriterien innerhalb der letzten zwölf Monate erfüllt worden sind:

  • starker Konsumwunsch
  • verminderte Kontrollfähigkeit
  • körperlicher Entzug
  • Toleranzentwicklung
  • fortschreitende Vernachlässigung anderer Interessen
  • anhaltender Konsum trotz schädlicher körperlicher oder sozialer Folgen

„Dabei markieren Toleranzentwicklung, Kontrollverlust und Entzugserscheinungen die mit der Erkrankung einhergehenden biologischen Veränderungen, die bis zu lebensgefährlichen Situationen im Entzug mit Krampfanfällen oder deliranten Zuständen führen können“, erklärt Dr. Blau.

Von rund 2 Mio. Alkoholkranken begibt sich etwa die Hälfte in Behandlung beim Hausarzt, davon etwas mehr als die Hälfte ist einmal im Jahr in einem Krankenhaus in Behandlung und davon wiederum die knappe Hälfte (rund 200.000) unterzieht sich einem qualifizierten Entzug.

Weitere Informationen zu den Angeboten am Bezirksklinikum Mainkofen gibt es im Internet unter https://www.mainkofen.de/psychiatrie/abteilung-sucht/

07.06.2024

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