Ein Zweiklang aus Herkunft und Zukunft
Ein Ort als Auftrag? Mit dieser Fragestellung, die zugleich den Titel skizzierte, beschäftigten sich Experten aus verschiedenen Bereichen am vergangenen Donnerstagnachmittag beim Symposium am Bezirksklinikum Mainkofen.
Wer über die grünen Wiesen zum Friedhof der ehemaligen Heil- und Pflegeanstalt geht, kann nur schwer erahnen, was sich hier in der Zeit des Nationalsozialismus abgespielt hat. An diesem Friedhof findet man heute einen „Ort des Erinnerns an die Opfer der Psychiatrie im Nationalsozialismus“. Doch nicht nur erinnern soll man sich an diesem Ort – es ist auch ein Ort des Lernens. So führte Gerhard Schneider, ehemaliger Krankenhausdirektor des Bezirksklinikums Mainkofen und Wegbereiter der Gedenkstätte, die Teilnehmer gleich zu Beginn aktiv ins Thema ein.
Doch der Ort, insbesondere das Klinikum, ist mehr als seine Vergangenheit. Das Bezirksklinikum Mainkofen ist heute die größte Gesundheitseinrichtung in Niederbayern.
„Es ist ein Zweiklang aus Herkunft und Zukunft“, so Bezirkstagspräsident Dr. Olaf Heinrich. Erinnerungsarbeit werde in Mainkofen großgeschrieben. „Manchmal diskutieren wir geschichtsvergessen.“ Umso wichtiger sei es, das Thema gerade an solchen Orten immer wieder ins Gedächtnis zu rufen.
„Was kann es Schlimmeres geben, als wenn Medizin mordet?“ - Dr. Ludwig Spaenle, Beauftragter der Bayerischen Staatsregierung für jüdisches Leben und gegen Antisemitismus, betonte in seinem Videogrußwort, welch wichtigen Beitrag die Krankenhäuser seitdem für die Wiederherstellung des Vertrauens in die Medizin leisten. Es sei umso wichtiger, die Geschichte besonders in diesem Bereich aufzuarbeiten. „Umso mehr freut es mich, dass sich die Bezirke dieser Herausforderung immer wieder stellen.“
In seinem Vortrag behandelte Prof. Dr. Jörg Skriebeleit, Leiter der KZ-Gedenkstätte Flössenbürg und Professor am Zentrum für Erinnerungskultur an der Universität Regensburg, das Thema „Psychiatrische Anstalten als Tatorte“. Nach wie vor stelle sich uns die Frage, ob es ethisch vertretbar sei, dass in Räumen, die während des Nationalsozialismus zum Tatort wurden, weiterhin Menschen behandelt werden sollten. An verschiedenen Beispielen erklärte er, wie die Einrichtungen zweckentfremdet worden sind. „Es gibt keinen Masterplan“, betonte er. Ziel müsse es sein, eine gewisse „Gleichzeitigkeit“ zu schaffen. Orte, die „Kontaktzone zwischen Nähe und Ferne seien“. Diese Orte erfüllen nach wie vor einen Zweck, wie das Bezirksklinikum Mainkofen, das dazu dient Menschen zu heilen. Dennoch habe der Ort eine Vergangenheit und sei historisch auf andere Weise bedeutend.
Bei der anschließenden Podiumsdiskussion, moderiert durch Dr. Robert Sigel von der Geschäftsstelle des Beauftragten der Bayerischen Staatsregierung für jüdisches Leben und gegen Antisemitismus, setzten sich Prof. Dr. Peter Brieger, Ärztlicher Direktor des kbo-Isar-Amper-Klinikums München, Gerhard Schneider, Prof. Dr. Jörg Skriebeleit, Mag.a Irene Zauner-Leitner vom Lern- und Gedenkort Schloss Hartheim, Dr. Stefan Raueiser, Leiter des Bildungswerks Irsee, sowie Dr. Kathrin Eveline Plank und Prof. Dr. Christina Hansen von der Universität Passau weiter mit den Fragestellungen auseinander. Zusammen mit den Teilnehmern entwickelte sich eine offene Diskussionsrunde mit dem Ergebnis, dass Geschichte mit der Gegenwart und Zukunft verknüpft werden muss. Die Orte seien nicht ersetzbar und müssen zugänglich gemacht werden. Und das nicht nur für die Öffentlichkeit. „Der Direktion ist es wichtig, auch Mitarbeiter künftig besser miteinzubinden“, bekräftigte Prof. Dr. Johannes Hamann, Ärztlicher Direktor des Bezirksklinikums.
Abschließend fasste Krankenhausdirektor Uwe Böttcher zusammen: „Wir müssen die Gedenkstättenarbeit weiter verstetigen und institutionalisieren.“
28.04.2023
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